Die bodenschutzrechtlichen Pflichten
Nach den allgemeinen Vorschriften in den §§ 1 – 3 enthält das Gesetz in den §§ 4 ff. allgemeine Grundsätze und Pflichten, die in den §§ 11 ff. für Altlasten ergänzt werden.
Der Pflichtenkatalog des Gesetzes:- Vermeidungspflicht nach § 4 Abs.
- Abwehrpflicht nach § 4 Abs.2
- Sanierungspflicht nach § 4 Abs. 3
- Entsiegelungspflicht nach § 5
- Die Vorsorgepflicht nach § 7 und für die Landwirtschaft nach § 17
- Ermittlungspflicht der Behörde nach § 9
- Behördliche Anordnungen nach § 10.
Die Vermeidungspflicht nach § 4 Abs. 1 verlangt ein Verhalten, das schädliche Bodenveränderungen(10) nicht hervorruft. Es dient dem im Gesetz nur schwach ausgebildeten präventiven Bodenschutz. Wie schon vor der Schaffung der Bodenschutzgesetze in den damals einschlägigen Polizeigesetzen der Länder soll auch heute mit dieser Pflicht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Bereich des Bodens ausgeschlossen werden. Verpflichtet ist jeder auf den Boden Einwirkende, aber auch nur dieser. Damit ist der Adressatenkreis enger als bei den Sanierungspflichten. Ein Verstoß löst zwar kein Bußgeld aus, aber möglicherweise eine behördliche Verfügung.
Die Abwehrpflicht nach § 4 Abs.2 verpflichtet Eigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen. Auch dies dient dem präventiven Bodenschutz. Allerdings bestehen hier verschiedene Grenzen. Zum einen entfällt die Pflicht, wenn ein nach § 3 vorrangiges Gesetz entsprechendes regelt. Zum anderen entfällt die Pflicht, wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erfüllt werden kann(11).Durch behördliche Verfügung kann zumindest die Verringerung oder die Verhinderung der schädlichen Bodenveränderung verlangt werden(12). Da schädliche Bodenveränderungen auch Gefahren oder Ähnliches für den Einzelnen erfassen, kann auch ein betroffener Dritter aus § 4 Abs. 1 und 2 von der Behörde den Erlass einer Verfügung zu seinem Schutz verlangen, wenn dies der Schutz seines Eigentums oder seiner Gesundheit erfordert(15). Dieser sog. Drittschutz ist im öffentlichen Recht nicht generell möglich, sondern nur wie hier bei Vorliegen einer Nachbar schützenden Vorschrift.
Die Sanierungspflicht nach § 4 Abs. 3 verpflichtet eine größere Reihe von Adressaten, Boden, Altlasten sowie durch Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen verursachte Verunreinigungen von Gewässern zu sanieren. Dies ist zweifelsfrei die wichtigste Pflicht des Gesetzes. Hier wird repariert und nicht mehr Vorsorge (z. B. durch Rekultivierung) getrieben. Das frühere Polizeirecht lebt hier in bodenschutzrechtlicher Form fort. Es muss für einen Eingriff eine polizeirechtliche Gefahr(14) vorliegen. Die Einzelheiten werden nachfolgend getrennt dargestellt. Daneben steht die Möglichkeit, bei einem Grundstücksschaden vom Eigentümer des schädigenden Nachbargrundstücks auf zivilrechtlicher (!) Grundlage Ersatz für alle eingetretenen Schäden bei nachweislichem Verschulden, ohne dieses lediglich die Beseitigung des Schadens zu verlangen.
Die Entsiegelungspflicht nach § 5 ist eine Ergänzung der Pflichten aus § 4. Sie kann aber auf Bundesebene derzeit wegen des Fehlens einer dafür notwendigen Verordnung des Bundes auf Bundesebene nicht umgesetzt werden. Bis dies geschieht, sind die Länder zu entsprechenden Verfügungen unter den Voraussetzungen des § 7 befugt.
Die Vorsorgepflicht nach § 7 wird durch die so genannten Vorsorgewerte aus der BBodSchV präzisiert(15). Hier spielen auch mögliche Summationsschäden durch das Zusammenwirken mehrerer Schadstoffe eine Rolle(16).
Maßstab ist die Empfindlichkeit des Bodens und nicht dessen konkrete Nutzung. Selbst wenn die praktische Bedeutung dieser Vorschrift gegenwärtig noch gering ist, so kann sie doch Grundlage einer behördlichen Verfügung an die verpflichteten Eigentümer, Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder diejenigen sein, die auf dem Grundstück Verrichtungen ausführen lassen (z. B. auch ein Bauunternehmer).
Die Landwirtschaft wird nach § 17 durch die Beachtung der sog. guten fachlichen Praxis, die in § 17 Abs. 2 im Einzelnen geregelt ist, von der allgemeinen Vorsorgepflicht freigestellt(17). Hierbei handelt es sich eher um eine Landwirtschaftsschutz- als um eine Bodenschutzklausel.
Die Ermittlungspflicht der Behörde nach § 9 ist zweigeteilt. Bei einfachen Anhaltspunkten, insbesondere bei den Beispielen nach § 3 BBodSchV(18), und erst recht bei Überschreitung der Prüfwerte als Indizien kann die Behörde den fraglichen Sachverhalt einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast ermitteln. Diese Untersuchungen hat die Behörde wie bei allen Amtsermittlungen zu bezahlen (§ 9 Abs.1) und das Ergebnis förmlich festzustellen bzw. zu bewerten. Bei konkreten Anhaltspunkten, hier immer bei Überschreitung der Prüfwerte, kann die Behörde die nach § 4 Abs. 3, 4 und 6 Verpflichteten zu Untersuchungen verpflichten (sog. Gefahrerforschungseingriff nach Abs. 2). Bestätigt sich der Verdacht nicht und hat der Betroffene die Verdachtsgründe auch nicht zu vertreten, dann hat der Verpflichtete einen Erstattungsanspruch gegen die Behörde nach § 24 Abs.1(19).
Übersicht über den Ablauf der Untersuchungen
- orientierende Untersuchung
- Detailuntersuchung, beide bilden die Gefährdungsabschätzung
- Sanierungsverfügung
- eventuell Sanierungsuntersuchung mit Sanierungsplan und Vertrag bei komplexen Sachverhalten.
Angesichts des hohen Schutzbedarfs bei der menschlichen Gesundheit und des Grundwassers ist es offensichtlich, dass eine Maßnahme nach Abs. 2 schon bei geringem Verdacht zulässig ist. Werden die ebenfalls in der VO festgelegten Maßnahmenwerte überschritten, liegt im Regelfall eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast vor und es besteht Handlungsbedarf(20).
Die Überprüfung der von der Behörde angewendeten Prüfungs- und Maßnahmenwerte ist unverzichtbar, wenn diese nicht in der BBodSchV ausdrücklich geregelt sind. Ebenso sollten Bodengutachten sorgfältig bewertet werden, denn der Boden ist nicht gleichförmig aufgebaut. Bodenbelastungen können deshalb stark variieren. Deshalb größere Sanierungen nie auf ein Gutachten stützen!
(10) Verlangt wird also nicht nur die Vermeidung von Altlasten. Das bloße Fahren mit einem Fahrrad über eine Waldwiese ist zwar eine Bodenverdichtung und damit eine -veränderung im Sinne des BBodSchG, aber wegen geringer Intensität hier nicht relevant, da nicht „schädlich“. Andere Beispiele: Erosion, Versiegelung, Hangrutschung.
(11) Der Mieter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt kann nicht zu Maßnahmen verpflichtet werden, die er an der Mietsache nur mit Zustimmung seines Eigentümers vornehmen darf, VGH Baden-Württemberg, Zeitschrift für Wasserrecht (ZfW) 1990, 457.
(12) Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiele die Bepflanzung zur Minderung einer möglichen Erosion oder die Reparatur und vorübergehende Stilllegung von Anlagen.
(13) Z. B. der Nachbar unterhalb eines erosionsgefährdeten Grundstücks für Bepflanzungsmaßnahmen.
(14) Zustand, der bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt eines Schadens am Boden oder am Grundwasser führt. Die geforderte Wahrscheinlichkeit hängt von der Schutzbedürftigkeit des gefährdeten Gutes ab, ist also beim Grundwasser leichter erfüllt als beim Boden, bei dem immer auch die konkrete Nutzung berücksichtigt werden muss.
(15) § 10 und Anhang 1 Ziff. 4. der VO. Eine Vorsorgeregelung ist auch § 12 VO: Anforderungen an das Auf- und Einbringen auf oder in den Boden, jetzt ergänzt durch ein Arbeitspapier der Referenten des Bundes und der Länder im Bereich des Bodenschutzes (LABO – Vollzugshilfe zum Aufbringen von Materialien auf und in den Boden, gebilligt von der Umweltministerkonferenz am 17.10.2002, Bodenschutz 2003, 4). Die in § 6 des Gesetzes enthaltene Ermächtigung für eine Verordnung hierzu ist bisher aber noch nicht ausgefüllt worden.
(16) Anderes Beispiel: Undichtes Abwassernetz einer Gemeinde und Torfabbau und die damit verbundene Änderung der Bodenfunktionen in der Umgebung.
(17) KlärschlammVO und DüngemittelG gehen aber als Spezialregelung dem BBodSchG vor. Diese Regelungen gelten deshalb auch für die Landwirtschaft uneingeschränkt.
(18) Z. B. Altstandort: Umgang mit Schadstoffen über eine längere Zeit oder in erheblicher Menge mit der Vermutung nicht unerheblicher Einträge in den Boden auf Grund der Betriebsweise.
(19) Nach Entscheidungen des OVG Bremen vom 29.8.2000, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ-RR) 2001, 157 und des OVG Berlin vom 19.1.2001, Umwelt- und Planungsrecht (UPR) 2001, 196 muss durch den Betroffenen auch genau geprüft werden, ob tatsächlich die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 vorliegen. Denn diese Maßnahmen muss die Behörde möglicherweise nicht bezahlen, während sie auf den vorausgehenden Ermittlungen immer sitzen bleibt. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zur Auffassung, dass der Inhalt der vom Betroffenen geforderten Maßnahmen noch zu § 9 Abs.1 gehört, die die Behörde auf jeden Fall selbst bezahlen muss.
(20) Es ist ein großer Vorteil der BBodSchV, dass sie in ihrer Anlage 2 einheitliche Werte geschaffen hat und damit ein Durcheinander durch die bisherigen ca. 30 Listen beendet hat. Die Frage bleibt aber offen, wie bei fehlenden Werten in der neuen VO zu verfahren ist: Zunächst ist eine in der BBodSchV selbst vorgesehene Bekanntmachung zur Ableitung solcher fehlender Werte zu beachten (s. o. im Kapitel Einführung in das Bodenschutzrecht). Darüber hinaus können auch ergänzend die alten Listen herangezogen werden, OVG Lüneburg Beschl. v. 3.5.2000, NVwZ 2000, 1194