Haftungsrisiken für den Bodengutachter
Neues aus der Rechtsprechung und von der Schuldrechtsreform
Die Grundsätze für die Haftung eines Bodengutachters wurden bereits in der Ausgabe 1/2001 des Altlastenforums auf S. 12 f. dargestellt. Aus der Häufigkeit, mit der das Thema der Haftung des Sachverständigen in der Rechtsprechung behandelt wird, kann nur gefolgert werden, daß die Bedeutung dieser Frage nicht immer voll erkannt wird. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wann der Sachverständige nicht nur seinem Vertragspartner haftet, sondern auch einem Dritten, mit dem er keine vertragliche Vereinbarung geschlossen hat (sog. Vertrag mit Schutzwirkung für einen Dritten). Gerade hier liegen besondere Haftungsfallen. Die vorausgegangene Darstellung soll im Nachfolgenden durch ein weiteres Beispiel aus der Rechtsprechung ergänzt werden. Bezüglich der Haftung bei solchen Verträgen hat die Schuldrechtsreform eine Erleichterung durch eine Verkürzung der Verjährung erbracht, worauf am Ende dieses Beitrags hinzuweisen ist.
Aus dem vorausgegangenen Artikel hätte man vielleicht die Folgerung ziehen können, daß ein Gutachter, der nach dem Grundsatz handelt: "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste" sein Haftungsrisiko verringern kann. Wer aber die Gefahren aus einer Altlast zu hoch bewertet, der läuft das gleiche Risiko einer Haftung gegenüber dem Vertragspartner und eventuell gegenüber Dritten wie derjenige, der entsprechende Risiken nicht voll erkennt oder zumindest nicht in seinem Gutachten auf verbleibende Restrisiken hinweist.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) verdeutlicht dieses Risiko. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Ein Eigentümer wollte ein bekanntermaßen belastetes Grundstück an einen Bauträger verkaufen und hatte dazu zunächst selbst insgesamt drei Gutachten einholen lassen. Der Gutachter wußte von dem Eigentümer, daß es einen interessierten Erwerber gibt, für den die Gutachten ebenfalls von Bedeutung waren für seine Kaufentscheidung. Später erstellte der Gutachter noch weitere drei Gutachten, zunächst eines im Auftrag des Bauträgers, das die Gefahr bestätigte. Die zuständige Behörde erklärte daraufhin das Grundstück zur Altlast, das Grundstück wurde einer staatlichen Sanierungsgesellschaft übergeben. Diese Gesellschaft gab dann die letzten zwei Gutachten bei demselben Gutachter in Auftrag, die dann eine Entwarnung brachten. Das Grundstück konnte, wenn auch mit einer Verzögerung, von dem Bauträger mit Wohnungen bebaut werden.
Unstreitig hat der Gutachter nicht alle notwendigen Untersuchungsmethoden zur Ermittlung der Bedeutung der Altlast eingesetzt, so daß ein Verschulden seinerseits unstrittig war. Der Bauträger hatte nach einem noch während des Verfahrens geschlossenen Kaufvertrag eine Anzahlung hierauf zu leisten, die er aber angesichts der unsicheren Nutzbarkeit des Grundstücks nicht zahlen wollte. Um das mit der Nichtzahlung verbundene vertragliche Rücktrittsrecht des Verkäufers zu vermeiden, erklärte sich der Bauträger bereit, eine zusätzliche Vergütung für die zeitliche Verschiebung der ursprünglich schon vereinbarten Kaufpreiszahlung zu zahlen. Diese Vergütung verlangte er nun von dem Gutachter, weil er bei ordnungsgemäßer Begutachtung die Grundstücke hätte schneller bebauen können und somit auch seine finanzielle Belastung schneller hätte zurückführen können.
Der BGH war mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes nicht einverstanden und hat das Urteil mit ausführlichen Hinweisen zu seiner Rechtsauffassung zurückverwiesen. Für die Frage der Haftung des Gutachters sind dabei folgende Gesichtspunkte wesentlich. Der Bauträger hat als in den Schutzbereich des Gutachtervertrags einbezogener Dritter einen Schadensersatzanspruch aus dem dritten Gutachten, das noch der Verkäufer in Auftrag gegeben hat. Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, daß nicht nur öffentlich bestellte Sachverständige oder auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aus einem Gutachtervertrag solche Schutzpflichten auch gegenüber Dritten begründen können, sondern auch "einfache" Gutachter ohne die genannten Qualifikationen. Zu der Ausweitung der Haftung auf einen Dritten sagt der BGH ausdrücklich, daß dies nicht nur durch eine zusätzliche schriftliche Vereinbarung geschehen kann, sondern auch stillschweigend. Grundsätzlich hat der BGH keine Bedenken gegen eine solche Haftung im vorliegenden Fall. Die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür muß der Tatrichter im einzelnen prüfen, da die Vorgerichte hierzu nicht ausreichend Feststellungen getroffen haben. Das Gericht hat auch keine Bedenken, den Gutachter aus dem fehlerhaften dritten Gutachten haften zu lassen, das noch der Verkäufer erteilt hatte, obwohl ein viertes Gutachten schon im Auftrag des Käufers diesen Fehler nochmals wiederholte. Die Ursächlichkeit des dritten Gutachtens ist damit nicht entfallen, denn durch es wurde zumindest der Zweifel an der Nutzbarkeit des Grundstücks bestärkt.
Im Ergebnis bleibt also festzuhalten: Auch zu große Vorsicht des Gutachters kann schaden. Die Möglichkeit, daß auch ein Dritter Schadensersatzansprüche hat, besteht oft und wird in der Praxis von den Beteiligten oft übersehen. Der Gutachter erhöht dabei oft unbewußt sein Haftungsrisiko ohne zusätzliche Honorierung.
Gefährlich ist es dabei für ihn insbesondere, mit Dritten über das Gutachten zu sprechen oder Informationen an sie hieraus weiterzugeben. Im vorliegenden Fall hatte es auch ausgereicht, daß der Gutachter wußte, daß sein Auftraggeber das Gutachten an einen Interessenten weitergeben will. Die notwendige und dringende Folgerung aus diesen Feststellungen ist die Notwendigkeit, durch Regelungen im Gutachtervertrag diese stillschweigende Haftungserweiterung auf Dritte auszuschließen und von einer ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Gutachters abhängig zu machen. Dies kann in Allgemeinen Vertragsbedingungen geschehen. Die Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 hat eine Erleichterung für den Gutachter gebracht. Aus vorher abgeschlossenen Verträgen dauert die Haftung, wenn das Gutachten keinen Bezug zu einem Bauwerk hatte (sog. feststellendes Gutachten) 30 Jahre, bei anderen Gutachten 5 Jahre. Im neuen Recht beträgt die Verjährungsfrist nun höchstens 5 Jahre. Damit wird auch das Haftungsrisiko für einen Anspruch des Dritten, der nicht Vertragspartner geworden ist, geringer.