Seminar VSVI: Baugrundtechnische und rechtliche Fragen am 19.2.2014 in Kaiserslautern:

Die vertragliche Verantwortung des Auftraggebers, des Auftragnehmers und des Sachverständigen für das Baugrundrisiko


1. Inhalt der Gewährleistung im Werkvertragsrecht: ganz kurzgefasst

1.1 Geschuldet wird die vertragsgemäße Beschaffenheit nach § 633 Abs. 2 BGB:

Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,

1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst

2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach Art des Werkes erwarten kann.

Vorrangig ist also die vertragliche Regelung, sonst gewöhnliche Verwendung, übliche Beschaffenheit.

1.2 Verantwortung der Sonderfachleute für Spezialfragen, Abgrenzung der Verantwortung bei eigenem Wissen des Unternehmers je nach Fallgestaltung.

Gegenseitige Aufklärungs- und Mitteilungspflichten: Es besteht eine vorvertragliche Aufklärungspflicht - auch später während der Vertragsabwicklung - für solche Umstände, die nur der einen Vertragspartei bekannt sind und von denen sie weiß oder wissen muss, dass die Willensbildung der anderen Partei durch die Kenntnis dieser Umstände beeinflusst werden kann.

Deshalb gehört es nach Auffassung des BGH zum Pflichtenkreis des sachkundigen AN, den nicht sachkundigen AG (Abwägung der bei den Vertragspartner vorhandenen Fachkenntnisse!) darüber aufzuklären, ob das bestellte Werk für den vorgesehenen Zweck tauglich ist und den Bedürfnissen des AG entsprechen kann. Sonderfall §§ 2 Abs. 6 Nr. 1; 4 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 VOB/B.

Zu den besonderen werkvertraglichen Aufklärungspflichten des AG gegenüber dem AN gehört, dass der AG für die Richtigkeit seiner dem Vertragsabschluss zugrunde gelegten Vorgaben einzustehen hat und dass der AG den AN auch über Umstände zu unterrichten hat, aus denen Gefahren für das Gelingen des Werkes hervorgehen können. Der Bieter darf sich deshalb grundsätzlich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung verlassen, soweit ihm selbst keine Fehler oder Lücken der Ausschreibung erkennbar sind. Der AG verstößt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen dann gegen seine vorvertraglichen Pflichten, wenn er in seiner Leistungsbeschreibung objektiv unrichtige Angaben macht oder vertragsrechtlich relevante Umstände verschweigt1.


2. Wer trägt das Baugrundrisiko?

Nicht automatisch der AG (§ 645 BGB: vom Besteller gelieferten Stoff): Baugrundfälle lassen sich nicht mit dem Schlagwort „Baugrundrisiko“ lösen! Baugrund ist ein technischer Begriff, aber kein Rechtsbegriff2. Die Zuweisung des tatsächlichen Risikos Baugrund (Rechtsfrage) ist der Entscheidung der Vertragsparteien vorbehalten und durch Auslegung des Bauvertrags (Beschreibung des Baugrunds im LV, zusätzliches Bodengutachten3: Ausschluss völlig unerwarteter Risiken) zu ermitteln. Wenn bestimmte Bodenverhältnisse Leistungsinhalt sind, wird die funktionale Leistungsverpflichtung des AN dadurch begrenzt, Mehraufwand wird nicht geschuldet. Wenn ein solcher Geschäftswille beider Vertragsparteien fehlt, muss der AN den Mehraufwand ohne zusätzliche Vergütung erbringen, regelmäßig bei der Planung durch den AN und bei einer erkennbar unklaren Leistungsbeschreibung. Bei einer Detailausschreibung kann der AN bei zusätzlichem Aufwand zum Erreichen des Werkerfolgs eine Preisanpassung verlangen. § 2 Abs. 5, 6 VOB/B: einseitige Leistungsbestimmung durch den AG nach § 1 Abs. 4, im BGB entsprechend über § 242 BGB.

Die beiderseits vorausgesetzte Bodenbeschaffenheit kann außerdem Geschäftsgrundlage des Vertrages sein (Auslegungsfrage, Grenze der Zumutbarkeit unsicher, 20%?), § 323 BGB, § 2 Abs. 7 VOB/B.

Bei einer pflichtwidrigen erstellten Ausschreibung (s. o. 1.) ist auch ein Schadensersatzanspruch des AN möglich.


2.1 Der Aufreger (BGH, Urt. v. 22.12.2011 - VII ZR 67/114)

Sachverhalt: Der AN wird von einem öffentlichen AG beauftragt, die teerhaltige Asphaltschicht einer Ortsdurchfahrt und den darunter liegenden Boden zu entfernen. Die Ausschreibung enthält keine Angaben zur Bodenbeschaffenheit. Der gelöste Boden weist tatsächlich eine geringe Schadstoffbelastung (LAGA Z 1.1) aus. Für die deshalb notwendige Deponierung macht der AN 100.000 € geltend, § 2 Abs. 5 VOB/B. Nach unbestrittener Aussage eines Sachverständigen im Prozess ist der Boden unterhalb der Asphaltdecke regelmäßig mit Schadstoffen belastet.

Urteil: Entgegen dem OLG verneint der BGH einen Anspruch auf Mehrvergütung.

Begründung: Nach den Auslegungsregeln zur VOB/A (bei jeder Erklärung maßgeblich: Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB5) muss eine Bodenkontamination grundsätzlich aus dem LV hervorgehen, soweit der AG zu einer solchen Beschreibung in der Lage ist und diese ihm zugemutet werden kann.

Im LV wurde der Boden auch für den AN erkennbar nicht beschrieben. Deshalb war der Aushub des jeweils vorgefundenen Bodens geschuldet und von der Preisvereinbarung erfasst. Insoweit bestand deshalb keine Vollständigkeitsvermutung des LV zugunsten des AN. Nach § 9 Nr. 3 Abs. 4 VOB/A a. F. (jetzt § 7) i. V. m. DIN 18299 Abschnitt 0.1.20 und DIN 18300 Abschnitt 0.2.3 ist zwar die Bodenbelastung nach den Erfordernissen des Einzelfalls anzugeben. Entscheidend war aber die Aussage des Sachverständigen zu der in den einschlägigen Fachkreisen vorhandenen Kenntnis über die tatsächlich vorhandene Existenz von Schadstoffen. Hiergegen hatte der AN im Prozess nichts vorgetragen. Deshalb muss im Vertrag auch hierzu nichts mehr gesagt werden.

Fazit: Prozesse werden auch durch die Beweislast und der Sachverständige entschieden! Geholfen hätte auch ein Baugrundgutachten (s. o. bei 2., Fn. 2).


2.2 Der Beruhiger (BGH, Urt. v. 21.3.2013 - VII ZR 122/116)

Sachverhalt: Ein öffentlicher AG, der bekanntermaßen dazu neigt, das Altlastenrisiko auf den AN zu schieben, was aber nicht immer gelingt! Für den Ausbau einer Straße waren Tiefbauarbeiten ausgeschrieben worden, bei denen der Unternehmer in einer Ortsdurchfahrt auf kontaminiertes Aushubmaterial (Chlorid) gestoßen war. Zum Baugrund enthielt die Baubeschreibung folgende Aussage:

Die Baugrunduntersuchung wurde von W.G.B. durchgeführt. Die Untersuchung erfolgte mittels vier Rammkernsondierungen. Dabei wurde eine lediglich ca. 4 cm dicke Asphaltdeckschicht aufgeschlossen, deren Teergehalt untersucht wurde. Dieser liegt unterhalb der Grenze für Wiedereinbau des Aufbruchguts im Heißeinbau, sodass eine Wiederverwertung vollständig möglich ist.

Aufgrund der Chloridbelastung war ein Wiedereinbau aber nicht möglich.

Urteil: Mit seiner Klage auf zusätzliche Vergütung wurde der Unternehmer beim Landgericht wie beim Oberlandesgericht (OLG) abgewiesen und hatte erst beim BGH Erfolg.

Begründung: Die Ausführungen des Gerichtssachverständigen vor dem OLG, das abschließend über Sachverhaltsfragen zu entscheiden hatte, während der BGH nur noch eine Rechtsprüfung vornehmen konnte, zeigen auf, auf welch schmalen Grat sich Sachverständigenaussagen bewegen und Prozess entscheidend - wie in der Entscheidung vom 22.11.2011 - werden können. Zunächst hatte der Gerichtssachverständige ausgeführt, dass ein Bieter aufgrund der Feststellungen in der Baugrunduntersuchung davon ausgehen durfte, dass der Salzgehalt keine Rolle spielt. Auf Vorbehalt des AG hatte er dann in einer Stellungnahme klargestellt, dass mangels einer Untersuchung des Chloridgehalts gerade nicht der Schluss gezogen werden konnte, eine solche Belastung komme in den Bodenschichten unter der Teerdecke nicht vor. In einer weiteren Anhörung erklärte er, die Asphaltdecke werde üblicherweise nicht auf Chloride untersucht. Deshalb sei auch die Folgerung nicht zulässig, die darunter liegende Bodenschicht sei auf jeden Fall ohne Einschränkung zu verwenden (also Risiko des AN?). Das OLG verwies außerdem darauf, dass dem Kläger aufgrund der Lage der Straße die Behandlung im Winterdienst (Salzeinsatz) bekannt gewesen sein muss.

Dieses Herumgeeiere hat der BGH nicht mitgemacht, weil damit gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen worden ist. Unter Verweis auf § 9 Nr. 1 bis 3 VOB/A a. F. , die DIN 18299, Abschnitt 0.1.18 (Ausgabe 2000) bzw. 0.1.20 (Ausgabe 2006) und die DIN 18300, Abschnitt 0.2.3 (Ausgabe 2000 und 2006) ist eine Schadstoffbelastung nach den Erfordernissen des Einzelfalles anzugeben. Sie kann unterbleiben, wenn sich aus den gesamten Vertragsunterlagen klar (!) ergibt, dass eine derartige Bodenbelastung vorliegt (Verweis auf BGH vom 22.11.2011!). Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich waren, konnte der BGH abschließend entscheiden. Die Ausschreibung war nach Auffassung des BGH schadstofffrei erfolgt. Der AG konnte sich auch nicht auf die Unzumutbarkeit weiterer Untersuchungen berufen. Die Aussagen des Gerichtssachverständigen reichten - in diesem Falle! - nicht für den eindeutigen Nachweis aus, dass der Boden zweifelsfrei kontaminiert ist. Deshalb war ein eindeutiger Hinweis in den Ausschreibungsunterlagen erforderlich.

Fazit: Dieses Urteil zeigt auf, dass nicht allein die Aussage des Gutachters, sondern dessen Bewertung durch das Gericht Prozess entscheidend ist.


2.3 Ergebnis richtig, Begründung falsch (OLG Jena, Urt. v. 25.5.2010 - 5 U 622/09)

Sachverhalt: Der von einem öffentlichen AG mit dem Bau einer Autobahnbrücke beauftragte AN verlangte Mehrvergütung für die Gründung des Traggerüstes7 wegen der vom Baugrundgutachten abweichenden Bodenverhältnisse.

Urteil: LG und OLG weisen die Klage des AN ab8.

Begründung: Das Baugrundrisiko für die Brücke und das Traggerüst trägt grundsätzlich der AG (?). Hinsichtlich des Traggerüsts wurde das Baugrundrisiko durch Vereinbarung der ZTV-ING und der ZTV-K auf den AN übertragen. Das Baugrundgutachten traf aber keine Aussage zum Baugrund des vom AN selbst zu bestimmenden Standort des Traggerüsts.

Korrektur: Ausgangspunkt BGH 20.8.2009 (s. Fn.3, Urteilsgründe Rn. 77). Weder das Baugrundgutachten noch sonstige Vertragsbestandteile enthalten Aussagen zum Baugrund des Traggerüsts. Da ein Traggerüst zweifelsfrei erforderlich war, musste der AN erkennen, dass die Frage der Bodenverhältnisse hierzu von ihm zu klären war. Auf die Abwälzung des Risikos kam es also zur Begründung des Ergebnisses nicht an.


2.4 Weitere Fälle


2.4.1 Wird in einem VOB - Vertrag das Kontaminationsrisiko nicht geregelt, ist dies nach Teil C der VOB zu klären (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.1.2003 - 2 U 49/00, BGH Beschluss vom 28.8.2003 - VII ZR 59/03: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

Sachverhalt: Bei der Ausschreibung der Entsorgung von Erdmaterial war Grundlage ein Bodengutachten, das keine Bodenbelastungen feststellte. Der AN weist in seinem Angebot darauf hin, dass das Angebot nur für unbelasteten Erdaushub gültig sei. Der Auftrag wird allerdings nicht auf der Grundlage des Angebots erteilt. Darauf erfolgt eine widersprüchliche Korrespondenz zur Frage, ob dieses Schreiben zum Angebot Gegenstand des Vertrages sei. Der AG verlangt dennoch die Ausführung des Vertrags. Es wurden Bodenbelastungen festgestellt, der Mehraufwand bei der Deponie beträgt ca. 72.000 €.

Urteil: Die Klage des AN hat Erfolg. Die Erklärungen der Parteien hierzu sind widersprüchlich. Maßgeblich ist also die Rangfolge der Vertragsunterlagen gemäß Auftragserteilung. Weder die Leistungsbeschreibung noch die Besonderen Vertragsbedingungen enthielten hierzu eine Regelung. Deshalb ist auf die VOB/C abzustellen. Nach DIN 18299 Abschnitt 3.3. i. V. m. Abschnitt 4.2.1 sind die weiteren Maßnahmen bei Antreffen von Schadstoffen in Böden besondere Leistungen. Sind diese im Vertrag nicht geregelt, kann der AN für den Mehraufwand aus der Entsorgung von belastetem Erbmaterial eine zusätzliche Vergütung verlangen.

Hinweis: Das unrichtige Bodengutachten im Auftrag des AG spielt hier keine unmittelbare Rolle, da es im Prozess offenblieb, ob es Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen geworden ist.


2.4.2 Erschwernisse, die trotz Vorliegens eines Bodengutachtens auch bei sorgfältiger Kalkulation nicht vorhersehbar sind, lösen auch bei einem Pauschalpreisvertrag einen Mehrvergütungsanspruch aus (KG, Urteil vom 13.12.2004 - 24 U 354/02).

Sachverhalt: Bei Tiefbauarbeiten ergeben sich erheblich schlechtere Baugrundverhältnisse im Verhältnis zu dem im Zeitpunkt der Angebotsabgabe vorliegenden Bodengutachten. Der AG lässt die Arbeiten durchführen und verweist gegenüber dem Mehrvergütungsanspruch des AN auf den Pauschalpreisvertrag.

Urteil: Das KG bejaht den Anspruch. Die Erschwernisse waren auch bei sorgfältiger Prüfung der Angebotsunterlagen (Bodengutachten) nicht vorhersehbar. Das Baugrundrisiko war in dem vorliegenden Vertrag nicht gesondert geregelt und verbleibt deshalb trotz des Pauschalpreises beim AG. Anspruchsgrund: § 1 Abs. 3 VOB/B. Allerdings besteht eine Hinweispflicht des AN bei geänderten Bodenverhältnissen. Ohne diesen Hinweis besteht nur ein Anspruch nach § 2 Abs. 8 Nr. 2, 3. Dann kann der AG aber einwenden, dass er die Leistung bei rechtzeitiger Information nicht oder anders ausgeführt hätte.

Hinweis: Ein schon ursprünglich nicht auskömmlicher Preis kann durch einen Nachtrag nicht korrigiert werden (schlechter Preis bleibt schlechter Preis).


2.4.3 Der AG hat die Möglichkeit, ein grundsätzlich ihm liegendes Risiko dem AN zu übertragen (KG, Urteil vom 14.2.2006 - 21 U 5/03: Olympiastadion in Berlin)

Sachverhalt: Bei der Sanierung des Olympiastadions traten ca. 5,4 Mio. € Mehrkosten auf für die Beseitigung eines Schadstoffes in der Betonbeschichtung. Diese Belastung des Betons war bei Vertragsabschluss nicht bekannt.

Urteil: Bei einer offenen (!) Übertragung des Risikos liegt kein Verstoß gegen § 7 VOB/A n. F. vor. Es liegt auch kein Verschulden bei Vertragsabschluss vor, weil kein schutzwürdiges Vertrauen besteht.

Hinweis: Bereits in einer Entscheidung vom 27.6.1996 - VII ZR 59,959 hat der BGH ausgeführt, dass es für die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses nicht von Bedeutung ist, dass die übernommenen Verpflichtungen für den AN kalkulierbar sind. Ein sachkundiger (!) AN kann es sich nicht darauf berufen, er habe die mit einer funktionalen Leistungsbeschreibung verbundene Risikoverlagerung nicht erkennen können und nicht zu erkennen brauchen. Gegen diese Auffassung des Gerichts wird in der Literatur teilweise vertreten, dass eine solche vollständige Risikoübertragung wegen § 7 VOB/A nicht zulässig sei. Dem folgt die Rechtsprechung aber nicht. Das Bauherrenrisiko kann also komplett übertragen werden.


2.4.4 Es ist grundsätzlich möglich, auch riskante Leistungen im Rahmen einer VOB/A - Vergabe dem AN zu übertragen (OLG Koblenz, Urteil vom 17.4.2002 - I U 829/99).

Sachverhalt: Fall der Wasserhaltung, Erstellung eines Vorflutkanals. Die Ausschreibung verwies auf ein Bodengutachten, nach dem der genaue Schichtenverlauf der Tertiär - Oberfläche nicht zu prognostizieren war, der starken Wechseln unterworfen sei. Der beauftragte Bieter ging von einer geringen Durchlässigkeit der Bodenschichten aus. Nach Wassereinbrüchen mussten zusätzliche Brunnen errichtet werden. Hierfür wurden Mehrkosten verlangt.

Urteil: Der Anspruch wurde abgelehnt, da kein ungewöhnliches Wagnis vorlag. Auch aus § 7 VOB/A ergab sich kein Anspruch, da das Risiko erkannt worden war und deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen vorlag.


2.4.5 Bei Erdarbeiten muss der AG LAGA-Analysen vorlegen (OLG Koblenz, Urteil vom 26.10.2012 – 10 U 396/11)

Steht aufgrund von Bodenuntersuchungen fest, dass bei der Ausführung von Erdarbeiten kontaminiertes Erdaushubmaterial entsorgt werden muss, hat der AG dem AN ein Rückbaukonzept vorzulegen. Weisen die Ausschreibungsunterlagen die Einholung von notwendigen Analysen nach den LAGA-Richtlinien nicht eindeutig dem AN zu, ist der AG hierfür verantwortlich (Abgrenzung zur Entscheidung des BGH vom 22.12.2011, s. o. 2.1, weil dort die Ausschreibung keine Angaben zu Bodenbelastung gemacht hat).


3. Anordnung zum Baustoff: Regelfall Haftung des AN

Eine Anordnung des AG befreit den AN nur unter engen Voraussetzungen von der Mängelhaftung. Dazu genügt nicht die Bestimmung des Baustoffes im Rahmen des LV, sondern erst eine eigenständige Auswahl ohne Bezug zum LV. Bei der Auswahl durch den AG nach vertraglich festgelegten Kriterien erfasst seine Haftung auch nur diese10.


4. Die Verantwortung für den Inhalt eines Bodengutachtens


4.1 Ein Bauunternehmer muss Angaben in der Ausschreibung zum Baugrund nur auf die Plausibilität, nicht aber auf ihre sachliche Richtigkeit prüfen (OLG Brandenburg, Urteil vom 13.9.2007 - 12 U 214/06).

Sachverhalt: VOB - Vertrag. Bei der Errichtung einer Wohnparkanlage sollte der Bauunternehmer auch Kanäle verlegen. In der Ausschreibung stand „tiefenenttrümmertes Grundstück“. Es wurden bei der Ausschlachtung jedoch große Mengen an Beton- und Fundamentteilen angetroffen. Die Mehrkosten betrugen rund 80.000 €.

Urteil: Das OLG bejahte den Anspruch des AN. Eine unvorhergesehene Erschwernis muss er nicht tragen. Bei einem Augenschein oder aus der - nur insoweit lückenhaften - Ausschreibung waren die Betonteile nicht zu erkennen.


4.2 Ein Bauunternehmer muss den Widerspruch in einem Bodengutachten zwischen textlicher Bewertung und einem Rammdiagramm erkennen (OLG Celle, Urteil vom 29.1.2004 - 14 U 158/03).

Sachverhalt: Zum Einrammen von Spundbohlen stellte der AG dem AN ein Baugrundgutachten zur Verfügung. Im Textteil waren die Bodenverhältnisse als locker bis mitteldicht bezeichnet. Die dem Gutachten beigefügten Rammdiagramme ergaben nach einer Aussage des Sachverständigen im Prozess eindeutig, dass der Baugrund härter als im Textteil beschrieben ist.

Urteil: Die Klage des AN auf Mehrkosten wegen aufgetretener Erschwernisse ist erfolglos. Der Einsatz einer stärkeren Rammmaschine ist immer noch eine vereinbarte Leistung (§ 2 Abs. 8 VOB/B). Auch ein Verschulden des AG bei Vertragsschluss scheidet aus. Ein widersprüchliches Baugrundgutachten kann keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand schaffen. Die entsprechenden Kenntnisse sind bei einem Bieter für einen solchen Auftrag vorauszusetzen.

Hinweis: Naturgemäß ist es schwierig, vor einem Prozess zu sagen, welche Kenntnisse bzw. Prüfpflichten bestehen. Die entscheidende Rolle spielt die Aussage des Sachverständigen im Prozess. Um dieses Risiko zu vermeiden, empfiehlt es sich, Gutachten bezüglich möglicher Widersprüche möglichst genau zu prüfen.


4.3 Ein AG haftet dem AN bei einem Vertrag zur Entsorgung von Altlasten mit unrichtig angegebenen Schadstoffwerten nur, wenn der AN diesen Fehler nicht erkennen kann (OLG Brandenburg, Urteil vom 20.4.2004, 6 U 116/03).

Sachverhalt: Der Betreiber einer Anlage zur Behandlung von kontaminierten Böden verlangt von einem AG eine Mehrvergütung, weil Bleiverunreinigungen in dem angelieferten Boden fehlerhaft zu gering angegeben worden sein. Das Leistungsverzeichnis der Beklagten entsprach nicht den Vorgaben der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), weil statt eines notwendigen Feststoffwertes nur ein Eluatwert angegeben war, der zudem auch mit mg/kg statt mg/l bezeichnet war.

Urteil: Da das Entsorgungsunternehmen ohne Weiteres erkennen konnte, dass der für seine Kalkulation des Entsorgungspreises maßgebliche Schadstoffwert entweder gar nicht oder unrichtig angegeben ist, besteht kein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsabschluss (§ 311 Abs. 2 BGB, s. o. 2.).


4.4 Querende Spartenleitungen, Lageplan nur informativ: LV lückenhaft (OLG München, Urteil vom 14.4.2011 – 9 U 2907/10)

Hinweis des AG in der Baubeschreibung auf die Lückenhaftigkeit der Angaben zu den Spartenleitungen. AN muss deshalb die konkreten Lagedaten der Sparten ermitteln. LV offensichtlich lückenhaft, Risiko des AN.


4.5 Kein Schadensersatzanspruch des AN bei für ihn erkennbaren Fehlern des vom AG vorgelegten Bodengutachtens (OLG Celle; Urt. v. 20.2.2007 - 16 U 133/0311)

Sachverhalt: BGB - Vertrag über sog. Dükerungsarbeiten an einem See. Das vom AG eingeholte Bodengutachten ist mangelhaft, was der Unternehmer auch erkennen konnte und erkannt hat. Es kommt zu Fehlbohrungen, die wieder abgebrochen werden müssen. Hierzu macht der Unternehmer Schadensersatz geltend.

Urteil: Das Gericht weist die Klage ab. Zwar liegt eine positive Vertragsverletzung des AG vor (s. o. 1., jetzt § 280 BGB), aber auch ein überwiegendes Mitverschulden des Unternehmers. Er hätte vor Beginn seiner Arbeiten eine qualifizierte Bodenuntersuchung verlangen müssen.

Hinweis: Möglich ist ein Anspruch des AG gegenüber dem Gutachter.

In einer weiteren Entscheidung vom 11.10.2001 (22 U 6/01, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen) hat das OLG Celle einen (normalen!) Bauunternehmer zwar nicht von der Haftung für Mängel freigesprochen, weil er gebotene Bedenken gegen die geplante Bauausführung nicht angemeldet hat, aber ein ganz überwiegendes Verschulden des Bauherrn angenommen, das den Anspruch gegen den Unternehmer ausschließt. In dem vom AG erstellten LV war bei Putz- und Estricharbeiten keine in den DIN vorgesehene Horizontalabsperrung zum Schutz gegen aufsteigende Feuchtigkeit enthalten. Zwar musste der AN auf diesen Mangel hinweisen. Die ganz überwiegende Schuld lag aber beim AG, der sich auf dem Briefkopf mit Engineering und Consulting bezeichnete.


4.6 Ein AN (Fachfirma), die für eine Bauleistung besondere Spezialkenntnisse hat, muss ein vom AG vorgelegtes Bodengutachten besonders genau prüfen (OLG Köln, Urteil vom 19.7.2006 - 11 U 139/05).

Sachverhalt: VOB - Vertrag, ein Spezialtiefbauunternehmer sollte eine Tiefengründung mit Verdrängungspfählen ohne verlorenes Rohr ausführen. Ein vom AG beauftragtes Bodengutachten liegt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vor. Später erwähnt das Gutachten wegen weicher bis breiiger Auffüllungen einen inhomogenen und wenig tragfähigen Boden. Eine Bodenkenngröße nach DIN 1055 wird nicht angegeben. Der Bodengutachter empfiehlt eine Tiefengründung mit der Einbindung der vorgesehenen Verdrängungspfähle in den tragfähigen Untergrund. Bei der Herstellung einiger Pfähle wird mehr Beton verbaut. Nach der Abnahme treten Setzungserscheinungen auf, die zu Rissen im Mauerwerk des auf den Pfählen errichteten Bauwerks führen. Die Ursache ist die Fehlstellung des unter der Setzung befindlichen Bohrpfahls, der deshalb die abgeleiteten Lasten nicht aufnehmen kann.

Urteil: Ausnahmsweise hat es sich hier der AN nicht auf die Feststellung des Bodengutachtens verlassen dürfen. Unvollständigkeiten und die Plausibilität muss der AN (Fachfirma mit besonderen Spezialkenntnissen) prüfen (§ 4 Abs. 3 VOB/B). Bedenken hätten hier wegen der Beschreibung der Bodenverhältnisse und der fehlenden Bodenkennwerte bestehen müssen. Mitverschulden des AG für das fehlerhafte Bodengutachten 50%.

Hinweis: Nicht nur in diesem Fall, sondern generell spielt die Beweislast eine wichtige Rolle. Hier konnte der AN nachweisen, dass er seine Arbeiten fehlerfrei ausgeführt hatte. Da der AG das Baugrundgutachten in Auftrag gegeben hatte, trug er auch das Risiko, dass die Verdrängungspfähle geeignet waren, was das Gutachten des Gerichtssachverständigen bejahte.


4.7 Weitere Fälle zur Verantwortung für ein Gutachten


4.7.1 AN beachtet Bodengutachten nicht (OLG Celle, Urteil vom 31.1.2008 – 13 U 57/07)

Ein Bodengutachten weist auf versteckte Risiken im Untergrund des vom AN zu errichtenden Gebäudes hin. Der AN tauscht aber den Boden nur teilweise aus, deshalb Haftung für die Setzungsschäden. Mithaftung des AG für den Fehler des Statikers (Zurechnung zum AG) und des Architekten (Bauaufsicht, Gesamtschuldner mit dem AN).


4.7.2 Baugrundgutachten und Detailpauschalvertrag: Haftung des AN (OLG München, Urteil vom 10.6. 2008 – 9 U 2192/07, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Herstellung von Bohrpfählen, Baugrundgutachten mit nur zwei Aufschlussbohrungen. Mehrkosten wegen gespanntem Grundwasser. Aus dem detaillierten LV waren mögliche Erschwernisse wegen des Grundwassers erkennbar.



5. Werkvertrag zwischen Gutachter und dem AG

Ausgangspunkt ist die Verantwortung des Sonderfachmanns gegenüber dem Bauherrn. Bedeutung der Aufklärungs- und Beratungspflichten (Nebenpflichten, positive Vertragsverletzung, s. o. 1.): Beratung, Information (Hinweis auf erkennbare Gefahren für das Werk), Prüfung (Prüfung der vom Besteller angelieferten Sachen), Aufklärung, Überwachung.

Im Prozess zwischen AG und AG nach 2.ff. geht es auch um einen möglichen Rückgriff gegen den Gutachter wegen seines falschen Gutachtens. Deshalb kann dem Gutachter schon in diesem ersten Prozess der Streit verkündet werden (§ 72 ZPO Streitverkündung, § 68 ZPO Nebeninterventionswirkung: Feststellungen aus dem ersten Prozess gelten auch für den nachfolgenden zweiten Prozess gegen den Sachverständigen).


5.1 Grundsätzliche Pflicht des Gutachters, immer und vollständig auf Risiken hinzuweisen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 9.2.2006 - 9 U 61/05)

Sachverhalt: An einer Wohnanlage sind durch Setzungen Schäden entstanden, für die der Statiker und der beklagte Gutachter in der ersten Instanz als Gesamtschuldner verklagt werden. Die Berufung richtet sich nur noch gegen den Bodengutachter. Der Beklagte hatte zunächst einen geotechnischen Bericht erstellt und dann an einem Ortstermin teilgenommen, bei dem es um die tatsächliche Gründungstiefe des Bauwerks angesichts der vorgefundenen schwierigeren Bodenverhältnisse im Bereich des vorgesehenen Hauses ging. Der Beklagte gab dabei eine Empfehlung, die Gründung bis zu einer erkennbaren tieferen Bodenschicht fortzuführen. Der Kläger warf ihm vor, hierbei Angaben ins Blaue hinein gemacht zu haben, ohne durch einfache Sondierbohrungen in der Baugrubensohle sich Gewissheit über die tatsächliche Lage der tragfähigen Bodenschicht verschafft zu haben.

Urteil: Entgegen der Entscheidung in der ersten Instanz hält das OLG die Klage aus positiver Vertragsverletzung auf Schadensersatz für begründet. Bei der Begutachtung vor Ort hat der Gutachter offensichtlich nicht eindeutige und unmissverständliche Hinweise zu den bei der Gründung zu beachtenden Bodenverhältnissen gegeben und damit seine vertragliche Beratungspflicht verletzt, weil er nicht gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass seine nochmalige Hinzuziehung bei der endgültigen Beurteilung der Gründungsmaßnahme erforderlich ist.

Hinweis: Mitwirkendes Verschulden aufseiten des Bauherrn durch den mit Planung und Bauleitung beauftragten Architekten, weil er nicht von sich aus nochmals den Beklagten zur tatsächlich erreichten Gründungstiefe vor Beginn der Fundamente befragt hatte, was zu einer mangelhaften Ausführungsplanung führte. Ergebnis Mitverschulden des Bauherrn zu 1/3.

5.2 Ein Baugrundgutachter haftet für Fehler seines Gutachtens hinsichtlich des Auftretens eines von ihm nicht geklärten Schadens (BGH, Urteil vom 10.7.2003 - VII ZR 329/02).

Sachverhalt: Einer von mehreren durch den Bauherrn beauftragten AN (Architekt, GU, Sachverständiger) hatte ein Baugrundgutachten zu erstellen, wobei der Umfang des Auftrages im Prozess streitig geblieben ist. Im Gutachten heißt es: „Schwierigkeiten infolge Grundwassers sind nicht zu erwarten. Besonders sorgfältig sind jedoch die Arbeitsräume lagenweise zu verfüllen und zu verdichten, um das Eindringen von Niederschlagswasser und damit eine Durchfeuchtung der Kellerwände zu verhindern.“

Eine Abdichtung des Kellermauerwerks gegen drückendes Wasser wurde weder geplant noch ausgeführt. Nach Fertigstellung des Gebäudes kam es nach starken Regenfällen zu zwei Wassereinbrüchen im Keller.

Urteil: Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB a. F. Gegenüber dem Gutachter war die Klage dem Grunde nach erfolgreich, Berufung und Revision des Gutachters erfolglos. Nach Auffassung des Gerichts war der Auftrag nicht auf die Beurteilung der Tragfähigkeit des Baugrunds beschränkt, sondern habe sämtliche Leistungen des § 92 HOAI umfasst. Deshalb sei der Hinweis geschuldet gewesen, dass aufgrund des tonigen bzw. bindigen Baugrundes auf der Gründungsebene des Kellers Schichtenwasser oder anstauendes Niederschlagswasser mit Sicherheit zu zeitweise drückendem Wasser führen werde und deshalb entsprechend Abdichtungsmaßnahmen notwendig seien. Ein Mitverschulden des Architekten muss sich der Bauherr nicht anrechnen lassen.

Hinweis: Auch der Architekt haftet nach § 635 BGB, beide zusammen als Gesamtschuldner. Für die Praxis ist es natürlich immer nachteilig, wenn der genaue Umfang der Beauftragung nicht feststeht. Unklarheiten hier gehen immer zulasten des Spezialisten. Bei der Gestaltung von umfangreichen Verträgen lohnt es sich deshalb immer, diese zur Kontrolle auch von einem fachfremden Dritten, beispielsweise einem Rechtsanwalt, lesen zu lassen, um solche Zweifelsfragen zu vermeiden.


5.3 Keine Haftung des Sachverständigen über seinen Auftrag hinaus (BGH, Urteil vom 14.3.2000 - X ZR 199/97)

Sachverhalt: Ein Sachverständiger wird mit der Untersuchung des Bodens auf Schadstoffbelastung beauftragt und erstellt sein Gutachten. Später stellt sich heraus, dass auch das Grundwasser verunreinigt war. Der AG, an dem auch ein Diplomingenieur beteiligt ist, verlangt deshalb Schadensersatz. Der Sachverständige hatte Vorschläge zur Untersuchung des Grundwassers gemacht, die der AG aber nicht durchführen ließ.

Urteil: Der BGH gab dem Gutachter recht. Es gab keinen sachlichen Zusammenhang zwischen der Baugrunduntersuchung und der Grundwasserproblematik. Außerdem hatte der Gutachter zusätzliche Grundwasseruntersuchungen angeboten, die er nicht als vertraglichen Nebenpflichten umsonst durchführen musste. Der Hinweis auf diese Möglichkeit reicht aus. Außerdem war der Schutzbedarf des AG wegen des beteiligten Diplomingenieurs gering.

Hinweis: Notwendig ist die klare Formulierung des Auftrages, seiner Grenzen und der möglichen zusätzlichen Angebote zu weiteren Untersuchungen.


6. Haftungsrisiko des Sachverständigen gegenüber Dritten

Haftung des Gutachters nicht nur seinem AG gegenüber, sondern auch gegenüber einem Dritten, der vom AG für den Gutachter erkennbar, z. B. durch Weitergabe von Informationen aus dem Gutachten, in den Schutzbereich des Gutachtervertrags einbezogen wird (Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte)


6.1. Eine solche Haftung eines Gutachters besteht auch für Schäden, die dem Dritten dadurch entstehen, dass das Gutachten eine schädliche Bodenveränderung/Altlast zunächst bejaht, die eine von einem Dritten geplante Baumaßnahme verzögert, während spätere Untersuchungen ergeben, dass kein Anlass besteht, die geplante Baumaßnahme nicht zu genehmigen (BGH, Urteil vom 14.11.2000 - X ZR 203/98).

Sachverhalt: Der Eigentümer beauftragt einen Gutachter zur Untersuchung seines bekanntermaßen belasteten Grundstücks, weil ein Bauträgerunternehmer sich hierfür interessiert, was er dem Gutachter mitteilt. Der Bauunternehmer macht für zusätzliche Zins- und Finanzierungskosten wegen der verspäteten Durchführung des Bauvorhabens einen Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung geltend. Der Gutachter hatte mehrere negative Gutachten (3. bis 6. Bericht) erstellt und erst mit dem 7. Bericht die Eignung des Grundstücks für die Baumaßnahme bejaht.


6.2 Die geringe Höhe eines Honorars für den Gutachter beeinflusst die notwendige Sorgfalt nicht (BGH, Urteil vom 13. 11. 1997 - X ZR 144/94).

Sachverhalt: In diesem Fall hatte der Gutachter bei einem Wertgutachten für ein Gebäude die Angaben des Eigentümers über die tatsächlichen Mieteinnahmen ungeprüft übernommen und auf diese Tatsache auch nicht in dem Gutachten hingewiesen. Der Gutachter hatte bestätigt, dass ihm die Verwendung des Gutachtens bei einer Bank bekannt war. Diese Bank hatte daraufhin dem Eigentümer einen Kredit gewährt, der in der späteren Zwangsversteigerung teilweise ausfiel. Ein neues Wertgutachten ergab nur noch einen Wert von circa 53% des ersten Gutachtens. Im ersten Gutachten war der Ertragswert falsch, weil der maßgebliche Mietzins circa 25% über dem ortsüblichen lag. Das Honorar für das Gutachten betrug 1000 DM. Daraus folgt aber keine Herabsetzung der einzuhaltenden Sorgfalt. Der BGH lehnte diese Überlegung allein schon deshalb ab, weil das Honorar im Gutachten nicht genannt war, die Bank dies also nicht erkennen konnte, lässt die Frage aber grundsätzlich offen. Im Verhältnis zwischen AG und AN kann diese Frage deshalb geprüft werden. Sicherlich gilt aber im Regelfall keine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs nur alleine wegen eines günstigen Angebots des AN12.


6.3 Bodengutachten im Auftrag des AN schützt nicht den AG (OLG Brandenburg, Urteil vom 4.8.2009 – 11 U 133/03)

Das Baugrundgutachten im Auftrag des Bauunternehmers kommt zu einem falschen Ergebnis, das aber den AG nicht schützt. Nachdem das Bauunternehmen seinen Anspruch gegen den Gutachter an den AG abgetreten hat, kürzt das OLG den Schadensersatzanspruch dennoch auf 50%, weil der Bauunternehmer hätte erkennen können, dass das Gutachten nicht zutreffend ist.

1 Jede Willenserklärung wird aus der Sicht des Empfängers ausgelegt, hier mit den entsprechenden bautechnischen Kenntnissen. Ermittlung des maßgeblichen Verständnisses einer Erklärung auch durch Umfrage bei potenziellen Anbietern möglich, OLG Koblenz, Urteil vom 24.2.2011 – 2 U 777/09, aufgehoben durch BGH, Urteil vom 22.12.2011, s. 2.1.

2 Aktuelle Diskussion in der Fachliteratur, z. B. Kuffer (Richter am BGH, VII. Senat), NZBau 2006, 1; Joussen (Vygen/Joussen Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl. 2013), NZBau 2013, 465. Bsp.: OLG Koblenz, Urt. v. 8.6.2012 – 8 U 1183/10, IBR 2013, 730; BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 198/12: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

3 BGH, Urt. v. 20.8.2009 - VII ZR 205/07, LS 6, NJW 2010, 227; IBR 2009, 630 (s. 2.3. Fundstelle auch: www.bundesgerichtshof.de, Entscheidungssammlung): Selbst bei einem funktionalen Angebot ist nicht anzunehmen, dass der AN Mehrkosten infolge vertragswidriger Bodenverhältnisse übernehmen will. Der BGH bejahte auch eine stillschweigende Anordnung (§ 2 Abs. 5 VOB/B) oder nach Abs. 8. Urteilsgründe Rn. 77: Allerdings können Mehrkosten wegen von den Vorstellungen des AN abweichender Bodenverhältnisse nicht mit der allgemeinen Erwägung geltend gemacht werden, den Bauherrn treffe das Baugrundrisiko (Verweis auf Kuffer, NZBau). Auszugehen ist vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalles und den getroffenen Vereinbarungen.

4 NJW 2012, 518; af-info 1/2012, S. 26.

5 So schon BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 202/04, NJW 2006, 3413: Baugenehmigungsbehörde verlangte ein Baugrundgutachten, das der AG gesondert zu vergüten hatte. Für die rechtlichen Voraussetzungen der Bauausführung ist der AG verantwortlich, wenn nicht vertraglich der AN das Risiko der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens übernommen hat. Das Verfahren war dreimal zwischen dem OLG und dem BGH unterwegs!

6 BauR 2013, 1126. Weitere Fälle aus der Rechtsprechung zu vom Baugrundgutachten abweichenden Bodenverhältnissen bei Kuffer/Wirth, Bau- und Architektenrecht, Kap. 1 B, Rn. 55.

7 Speziell zum Traggerüst: BGH, Urt. v. 28.2.2002: Ausschreibung seitlich überhängender Abschlüsse einer Autobahnbrücke aus Stahlbeton, im LV fehlte eine Position für das Traggerüst. Entgegen den Vorinstanzen hat der BGH eine Zusatzleistung verneint, weil die ausgeschriebene Bauleistung ohne das Gerüst nicht ausgeführt werden konnte. Aber Vorsicht: Entgegen der Aussage des BGH in diesem Urteil kommt es für die Abgrenzung geschuldete/nicht geschuldete Leistung nicht allein auf die Leistungsbeschreibung an, sondern auch auf die Unterscheidung in den DIN-Vorschriften Nebenleistung/Besondere Leistung. OLG Brandenburg, Urteil vom 16.7.2008 – 4 U 187/07: Bodengutachten für die Gründung bei der Teilerneuerung eines Brückenbauwerks lag vor, das aber nicht für die Gründung des Traggerüsts verwendbar war. Baugrundrisiko war für den AN nicht unvorhersehbar: Inaugenscheinnahme, lückenhafte Ausschreibung.

8 Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH, Beschl. v. 12.7.2012 - VII ZR 108/10.

9 BauR 1997, 126.

10 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2006 – 22 U 114/05, BGH, Beschl. v. 26.10.2006 - VII ZR 39/06 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen); OLG München, Urt. v. 21.10.1997 - 28 U 6259/96, BGH, Beschl. v. 4.11.1999 - VII ZR 184/98 (Revision nicht angenommen). OLG Celle, Urteil vom 23.3.2011 – 14 U 89/09: Die Einstandspflicht des AN wegen eines unterlassenen Hinweises auf eine mangelnde Eignung der ihm zur Verfügung gestellten Materialien besteht dann nicht, wenn aufgrund des Prozessverhaltens des AG feststellt, dass dieser aus einem etwaigen Hinweis keine Konsequenzen gezogen hätte (Starrsinn! Kausalität).

11 BGH, Beschl. v. 20.12.2007, VII ZR 49/07: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.


12 Anderer Fall einer unrichtigen Grundstücksbewertung BGH, Urteil vom 20.4.2004 - X ZR 250/02: Musste der Sachverständige eines Gutachtens „für Planungs- und Finanzierungszwecke“ damit rechnen, dass sein Gutachten auch in die Hände von Dritten gelangen würde, denen gegenüber er haften könnte?