Neues Bodenschutzrecht ab dem 1.3.1999:
Verschärfte Haftung für Altlasten
von RA Hellmuth Mohr
Die vorhandenen Umweltgesetze (z. B. Wasser- und Abfallrecht) berücksichtigen bisher den Boden nur am Rande. Einige Länder schufen deshalb eigene Bodenschutzgesetze, so auch Baden-Württemberg. An deren Stelle tritt nun das neue Gesetz des Bundes. Wichtigste Änderungen sind die Haftung des früheren Eigentümers, die Einführung der Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften und die Haftungsverschärfung für Neulasten (s. 2.) und der Innenausgleich unter mehreren Verpflichteten (s. 3.).
1. Maßnahmen derBehörde
Bei hinreichendem Verdacht auf Grund konkreter Anhaltspunkte für schädliche Bodenveränderungen kann die Behörde den Verantwortlichen (s. 2.) verpflichten, die notwendige Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung selbst und auf eigene Kosten durchzuführen. Wenn sich der Verdacht nicht bewahrheitet, besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Behörde .
Bei Altlasten hat die Behörde zusätzlich die Möglichkeit, weitergehende Sanierungsuntersuchungen vom Verpflichteten durchführen und einen Sanierungsplan aufstellen zu lassen. Sie kann auch die Durchführung von Eigenkontrollen zur Überprüfung der Wirksamkeit von Sanierungsmaßnahmen durch den Betroffenen verlangen. Notfalls kann die Behörde auch selbst diese Maßnahmen ergreifen und dem Betroffenen in Rechnung stellen.
2. Adressaten der Pflicht zur Gefahrenabwehr
Das Gesetz bringt wesentliche Verschärfungen bei den Sanierungsverpflichteten. Schon bisher traf diese Pflicht den Verursacher und nach umstrittener Auffassung auch dessen Gesamtrechtsnachfolger (z. B. gesellschaftsrechtliche Fusion ). Dieser Fall wird nun unstreitig. Der Umfang dieser Pflicht zeigt sich beim Eigentümer eines belasteten Grundstückes darin, daß er sich wohl nicht darauf berufen kann, daß der Umfang der von ihm zu tragenden Sanierungskosten den Wert des Grundstückes übersteigt. Bei einem Eigentumsübergang ab dem 1.3. 1999 haftet auch jeder(!), der früher und nach dem 1.3.1999 Eigentümer eines Grundstückes war, wenn er die schädliche Bodenveränderung im Zeitpunkt der Übertragung auf den Käufer zumindest kennen mußte oder tatsächlich kannte. Geschützt wird derjenige frühere Eigentümer, der im Zeitpunkt des eigenen früheren Erwerbes auf die Altlastenfreiheit vertrauen konnte. Der Verkäufer eines bereits beurkundeten Vertrages soll deshalb zusehen, daß die Grundbucheintragung vor dem 1.3.1999 erfolgt.
Die Pflicht soll "ewig" dauern.
Das neue Gesetz läßt auch nicht die bloße einseitige Eigentumsaufgabe an einem Grundstück zu, um der Sanierung zu entgehen. Die Sanierungspflicht kann auch den Inhaber der tatsächlichen Gewalt treffen, also den Besitzer, Mieter, Pächter oder den Erbbauberechtigten.
Bei juristischen Personen kann durch die neu geschaffene Durchgriffshaftung z. B. bei Unterkapitalisierung auf die natürlichen Personen durchgegriffen werden, die für die juristische Person einzustehen haben. Bei der Auswahl des zur Sanierung verpflichteten Beteiligten kann die Behörde dem Gebot der Effektivität folgen. Materielle Erwägungen zur Schadensverursachung muß sie nicht anstellen. Wer genügend Geldmittel zu Sanierung hat, ist am ehestens gefährdet, verpflichtet zu werden. Nun ist aber nicht in jedem Fall eine vollständige Beseitigung der Altlasten durch Dekontaminierung oder Sicherungsmaßnahmen, die eine weitere Ausbreitung verhindern, notwendig. Das Gesetz zieht schon dort eine Grenze, wo dies aus technischen Gründen unmöglich oder wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist (Verbot der Luxussanierung). In Betracht kommen dann Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen (z. B. Nutzungsbeschränkungen). Außerdem lohnt sich gerade hier für den Betroffenen eine genaue Prüfung planerischer Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Behörden. Für einen Parkplatz etwa im Unterschied zu einem Kinderspielplatz oder einer Wohnbebauung kann die Altlast, wenn sie sich nicht ins Grundwasser ausbreiten kann, im Boden verbleiben und muß nur gesichert werden. Mit einer Änderung des Flächennutzungs- oder des Bebauungsplanes läßt sich hier viel Sanierungsaufwand einsparen. Auch das Argument Sicherung von Produktionsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen kann hier eine Rolle spielen. Für nach dem 1.3.1999 neu eintretende Kontaminierungen sieht das Gesetz allerdings einen strengeren Vorrang der Beseitigung vor, eingeschränkt durch einen Gutglaubensschutz bezogen auf den Zeitpunkt der Verursachung.
Ein Schritt zu mehr Rechtssicherheit ist die verbindliche Festlegung von Prüf- und Maßnahmewerten, die in einer Verordnung zum Gesetz enthalten sein werden. Damit ist die durch die bisher verwendeten vielfältigen Listen bedingte Unsicherheit beendet. Die Verordnung ist zur Zeit noch im Anhörungsverfahren.
3. Zahlungsansprüche
Bei den Zahlungsansprüchen wurde eine teilweise schon in den Ländergesetzen vorgesehene Regelung übernommen, nach der ein Ausgleich unter mehreren Verpflichteten nach dem Grad der Verursachung möglich ist. So kann ein Eigentümer, der von der Behörde allein verpflichtet wird, ab dem1.3.1999 den Verursacher der Kontamination in Anspruch nehmen. Da das Gesetz ausdrücklich eine andere vertragliche Vereinbarung vorsieht, besteht bei der Übertragung von Grundstücken mit Altlastenverdacht hierbei in jedem Falle Regelungsbedarf im Vertrag.
4. Umgang mit dem Gesetz
Um zu in inhaltlicher, finanzieller und zeitlicher Hinsicht überschaubaren Planungen zu gelangen, ist es nicht nur empfehlenswert, die bei 1. dargelegte Sanierungsplanung durch den Betroffenen mit der Behörde abzustimmen, sondern diese Pflicht auch in die Rechtsform eines Vertrages zu kleiden. Dieser gibt dem Beteiligten eine größere Sicherheit bei späteren Änderungen des umweltrelevanten Schadensrisikos. Festzuhalten ist , daß die Waffen des Gesetzes nicht unwesentlich schärfer werden, daß aber eine im eigenen Interesse des Eigentümers frühzeitige und umfassende Sanie- rungsplanung auch unter dem neuen Gesetz gute Ergebnisse bringen kann. Insbesondere im Vorfeld von Investitions- oder Kaufentscheidungen besteht rechtzeitiger Handlungsbedarf für bodenschutzrechtliche Maßnahmen.