Die Baugenehmigung: Dreh- und Angelpunkt für die Haftung des Architekten und der Baubehörde
Die Baugenehmigung: Dreh- und Angelpunkt für die Haftung
des Architekten und der Baubehörde
Die anwaltliche Praxis und auch die Rechtsprechung zeigen immer wieder auf, dass die Verpflichtung des Architekten, eine genehmigungsfähige Planung (und zwar auf Dauer!) zu erbringen, unterschätzt wird. Auf der anderen Seite versuchen die Baubehörden oft, mit verfahrenstaktischen Maßnahmen unliebsame Bauvorhaben auszubremsen. In solchen Situationen helfen dem Bauherr dann nur noch Gewährleistungsansprüche gegen den Architekten oder Amtshaftungsansprüche gegen die Behörde.
Wozu der Architekt verpflichtet ist....
Gegenüber dem Bauherrn ist der Architekt verpflichtet, einen entsprechenden Auftrag vorausgesetzt, eine auf Dauer wirksame Baugenehmigung zu besorgen.
Hierauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) wieder in einer Entscheidung vom Februar 1999 hingewiesen. Aus diesem Fall wird der Umfang der Pflicht des Architekten besonders deutlich. Denn die Baubehörde hat zunächst die Genehmigung erteilt, die dann erst in Folge eines Nachbarwiderspruchs und eines Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht von der Behörde wieder eingeschränkt wurde. Unabhängig von diesem Erfolg des Architekten in der ersten Runde vor der Klage des Nachbarn hat der BGH ausgeführt, dass die Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung, die später von einem Dritten erfolgreich angefochten wird, den Architekten nicht entlastet, wenn er eine genehmigungsfähige Planung schuldet. Diese Genehmigung muss rechtmäßig und nicht mehr zurücknehmbar sein. Im vorliegenden Fall bejahte der BGH deshalb einen Schadensersatzanspruch des Bauherrn. Deshalb spielte dann noch die Verjährung eine Rolle, weil der Bauherr ja zunächst von einer ordnungsgemäßen Leistung des Architekten ausgegangen ist. Maßgeblich ist hierbei die Frage, ob und wann eine Abnahme erfolgte, mit der die Verjährungsfrist zu laufen begann. Die Haftung des Architekten kann dann allerdings wieder eingeschränkt werden oder ganz entfallen, wenn der Bauherr das Risiko des Widerrufs der Baugenehmigung kennen mußte oder sogar kannte, etwa wenn eine Ausnahmegenehmigung für das Bauvorhaben erforderlich ist und er entsprechende baurechtliche Kenntnisse hat. Die Verjährungsfrist nach dem BGB beträgt im alten wie im neuen Schuldrecht 5 Jahre.
In diesem Zusammenhang spielt jetzt in der Rechtsprechung immer häufiger die Frage eine Rolle, ob die einschlägigen Pflichten des Architekten sich deshalb verringern, weil das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren in allen Bundesländern vereinfacht worden ist. In einem im September 2001 entschiedenen Fall hatte der Architekt Vorschriften über die Brandmauern nicht beachtet, die aber im vereinfachten Genehmigungsverfahren auch nicht geprüft wurden. Das Gericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die öffentlich-recht liche Erleichterung im Genehmigungsverfahren nicht zu einer Verringerung der Pflichten des Architekten, der die Planung des Entwurfs erstellt, führt. Vielmehr werde durch diese Erleichterung gerade die Verantwortung der am Bau Beteiligten erhöht.
Bereits in einer Entscheidung vom Dezember 2000 hat der BGH wieder auf diese unbedingte Pflicht des Architekten, eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung zu schaffen, hingewiesen. In dieser Entscheidung führt das Gericht außerdem aus, dass die Pflicht des Bauherrn, wegen der Versagung der Baugenehmigung für das ursprüngliche Bauvorhaben Änderungen an diesem hinnehmen zu müssen, natürlich beschränkt ist. Mehr als zumutbare Änderungen muss er nicht hinnehmen. Dabei sei die ursprüngliche und die genehmigungsfähige Planung zu vergleichen. Im vorliegenden Fall hätte sich die Wohnraumhöhe um 10 cm auf 2,40 m unzumutbar verringert. In diesem Falle traf diese Pflicht nicht einen Architekten, sondern einen Bauunternehmer, der die Errichtung von Wohnungen nach seinen Plänen zugesagt hatte.
Natürlich ist auch die Pflicht des Architekten zur Schaffung auf Dauer genehmigter Pläne nicht grenzenlos. Dies zeigt eine Entscheidung des BGH vom Juni 2001. Auch hier war zunächst eine Baugenehmigung erteilt worden, bevor der Nachbar Widerspruch hiergegen einlegte, der nach Klagen bis in die 2. Instanz erfolgreich war. Nach der obigen Entscheidung vom Februar 1999 wäre der Architekt nun zu Schadensersatz verpflichtet gewesen. Hier stellt der BGH aber fest, dass der Architekt die Bewältigung schwieriger immissionsschutzrechtlicher Belange nicht schulde. Er hatte nämlich den Bauherrn auf diese bauplanungsrechtlichen Probleme hingewiesen und vorgeschlagen, gerade wegen dieser einen Bauvorbescheid einzuholen. In der Sache ging es um eine Rindermastanlage, neben der eine neue Wohnbebauung geplant war. Mehr könne von einem Architekten nicht verlangt werden. Dagegen hat das Oberlandesgericht Hamm 1999 entschieden, daß der Architekt das sog. Schmalseitenprivileg bei den Abstandsflächen beherrschen muß. An dieser strengen Haftung des Architekten ändert übrigens auch das seit Januar 2002 geltende neue Schuldrecht nichts. Im Zweifelsfall hilft dem Architekten also nur eine entsprechende Abrede mit dem Bauherrn über die Einschränkung der Genehmigungsfähigkeit. Hierbei ist dem Architekten wegen der Beweislast Schriftform anzuraten.
.... und die Amtshaftung der Gemeinde
Bereits in dieser Entscheidung vom Juni 2001 hat der BGH einen Amtshaftungsanspruch gegenüber der Gemeinde bejaht und die Frage nach der Haftung des Architekten nur deshalb aufgegriffen, weil die Gemeinde nur dann haftet, wenn kein anderer Anspruch, wie hier beispielsweise auch nicht gegen den Architekten, gegeben ist.
Nicht in jedem Falle hilft dem Bauherrn aber ein Amtshaftungsanspruch weiter. Denn die Baubehörde kann natürlich nur für das verantwortlich gemacht werden, was sie bei sorgfältiger Prüfung auch erkennen kann. In einer Entscheidung vom Oktober 2001 beschäftigt sich der BGH wieder mit den Abstandsflächen und stellt dabei fest, dass die Gemeinde diese zu prüfen habe. Auch in diesem Falle wurde dem Bauherrn zunächst eine Baugenehmigung erteilt, die dann nach dem Widerspruch und dem Eilantrag des Nachbarn über ein Jahr ruhte. Diesen Verzögerungsschaden wollte der Bauherr von der Gemeinde ersetzt bekommen, nach Auffassung des BGH zu Recht. Grenzen für die Haftung der Gemeinde zieht der BGH aber dort, wo diese die möglichen Rechtsverstöße bei der Erteilung der Baugenehmigung aber nicht erkennen konnte. Dies gilt beispielsweise dann, wenn im Baugrundstück Gefahren verborgen sind (Altlasten), die wegen der möglichen Gesundheitsgefahren eine Baugenehmigung ausschließen. Wenn diese Gefahren der Gemeinde nicht bekannt und auch nicht erkennbar sind, dann entfällt deren Haftung.
In diesem Zusammenhang weist der BGH noch auf das besondere Risiko hin, wenn der Bauherr trotz eines vom Nachbar eingelegten Rechtsmittels weiter baut und dadurch bei einem späteren endgültigen Erfolg des Rechtsmittel des Nachbarn den Schaden vergrößert, den er dann von der Gemeinde ersetzt bekommen möchte. Nicht jedes Mal, wenn der Nachbar gegen die erteilte Baugenehmigung vorgeht, entfällt damit sogleich die Schutzwürdigkeit des Bauherrn. Der BGH ist der Auffassung, dass der Bauherr einen Teil seines Schadensersatzanspruches zumindest dann verliere, wenn die Argumente des Nachbarn gegen die Baugenehmigung nicht von der Hand zu weisen seien und er sein Vorhaben dennoch ohne eine Entscheidung des Gerichts über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Nachbarn fortsetze. Im Grundsatz gelten hier die gleichen Regeln der Haftungsverteilung wie oben dargelegt im Verhältnis Bauherr zum Architekten.
Die Bremse für den Bauherrn durch die Veränderungssperre
Immer dann, wenn ein Bauvorhaben nach dem geltenden Recht zwar noch genehmigt werden muss, aber künftigen Planungsvorstellungen der Gemeinde widerspricht, greift die Gemeinde gern zur Veränderungssperre und zur Zurückstellung von Baugesuch nach den §§ 14 und 15 Baugesetzbuch. Der BGH hat in zwei Entscheidungen vom Juli 2001 wegen Amtshaftungsansprüchen nach Zurückstellungen von Baugesuchen nach § 15 darauf hingewiesen, dass die Behörde ihre Rechtsposition bei der Anwendung dieser Vorschrift nicht dadurch verbessern darf, dass sie die Baugesuche liegen lässt und für sich günstige Tatsachen schafft. In einem Fall ging der Antrag auf einen Bauvorbescheid ca. 4
Monate vor Bekanntmachung des Beschlusses über die Aufstellung eines Bebauungsplanes bei der Baubehörde ein. Damit konnte die Gemeinde zunächst die Veränderungssperre nach § 14 Baugesetzbuch wirksam werden lassen, weil der Antrag bis zu diesem Termin noch nicht entschieden worden war. Der BGH hat - übrigens in Abweichung zu den Instanzgerichten - einen Amtshaftungsanspruch gebilligt, weil im vorliegenden Fall der Antrag auf einen Bauvorbescheid angesichts der hier zu entscheidenden normalen Rechtsfragen tatsächlich vor der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses hätte entschieden werden können. Das Gericht sagt ausdrücklich, dass die Gemeinde nur den auf jeden Fall für die Bearbeitung des Antrags notwendigen Zeitraum nutzen darf, um eine Veränderungssperre zu beschließen. Um die Veränderungssperre zu vermeiden, hilft ein Vorbescheid in gleicher Weise wie eine Baugenehmigung.
Die zweite Entscheidung des BGH aus dem gleichen Monat setzt diese Rechtsprechung fort. Hier erfolgte eine Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15.
Gegen diese Entscheidung der Behörde legte der betroffene Eigentümer Widerspruch ein, der wie im Regelfall aufschiebende Wirkung entfaltete, da die Behörde keinen Sofort-vollzug angeordnet hatte. Damit war die Behörde nicht berechtigt, die Bearbeitung weiter aufzuschieben. Der betroffene Eigentümer hatte deshalb auch hier einen Anspruch auf Schadensersatz.